Inklusion im Kindergarten
Doch Fördergelder und schöne Leitbilder machen noch keine gelebte Inklusion. Was braucht es nun also, damit Inklusion zur Selbstverständlichkeit wird?
Der folgende Praxisleitfaden richtet sich an alle und speziell an das Kita-Team: an Erzieherinnen und Erzieher, an Lehr- und Förderkräfte im Vorschulbereich, an Hausmeister und an Sekretariatsteams.
Der rechtliche Kompass – warum Inklusion mehr ist als ein „nice to have“
Seit Deutschland 2009 die UN-Behindertenrechtskonvention gesetzlich anerkannt hat, ist inklusive Bildung ein einklagbares Recht. Die überarbeiteten Landeskindergartengesetze verankern das Prinzip auch klar: Jedes Kind soll wohnortnah die Kita besuchen, die seinen Bedürfnissen entspricht – gemeinsam mit allen anderen. Das 2024 veröffentlichte Kita-Bericht-Monitoring zeigt aber, dass nur knapp 62 % der Einrichtungen zusätzliche Personalstunden für Inklusion abrufen können und andere wiederum, kämpfen noch mit Finanzierungslücken.Für Leitungen und Träger bedeutet dies: Wer Inklusion ernst nimmt, muss Ressourcen sichern – von Rampen über Personal bis hin zu Fortbildungen.
Gut zu wissen: Neben Landesbudgets listet der Paritätische Gesamtverband alle aktuellen Bundesprogramme übersichtlich auf und verschafft einen Überblick.
Haltung zuerst – was ein inklusives Team auszeichnet
Inklusion beginnt nicht bei der Rollstuhlrampe oder einer bunten Tür, sondern bei uns im Kopf. Die wichtigste Frage also, die sich jedes Team stellen sollte, lautet: „Sehen wir zuerst die Fähigkeiten oder zuerst die Defizite?“ Wer Talente und Interessen in den Fokus rückt und diese fördert, schafft einen Raum, in dem Stärken leuchten und Schwächen unterstützt werden. Die Kinder fühlen sich dann gesehen, durch das was sie ausmacht und nicht minderwertig, weil sie etwas nicht so gut können wie andere Kinder.Stärkenorientierte Dokumentation ersetzt Checklisten der Defizite. Die Förderung von Talenten und Stärken schafft ein positives Gefühl bei den Kindern.
Mitbestimmung auf Augenhöhe bedeutet, dass Kinder bei Tagesabläufen mitreden dürfen: Welche Regeln braucht der Ruheraum, damit sich alle wohl fühlen?
Fehlerfreundliche Sprache macht Mut, Neues auszuprobieren: „Was hilft dir, damit das noch besser funktioniert?“ statt „Das kannst du nicht, wir müssen an der Aussprache arbeiten.“
Diese Haltung erfordert Zeit für Reflexion. Zum Beispiel könnte man jeden zweiten Mittwoch eine halbe Stunde bis Stunde Teambesprechung einplanen, um gelungene Situationen zu teilen oder Stolpersteine zu besprechen. Wichtige Punkte können in einem Protokoll oder auf einem Flipchart festgehalten werden.
Raumkonzept: Wie Räume Inklusion ausstrahlen
Schon beim Betreten einer Kita entscheidet die Architektur und Einrichtung darüber, ob Kinder sich zurechtfinden und wohlfühlen. Offene Regale in Griffhöhe der Kinder, klar markierte Areale und flexible Möbelstücke unterstützen selbstständiges Handeln. Viele Kita-Fortbildungen sprechen auch von „Ja-Umgebungen“: Das sind Räume, die ohne ständige Erwachsenenanleitung nutzbar sind, da sie kindgerecht und gleichzeitig kindersicher sind.Barrierefreiheit heißt dabei nicht nur Rampen für Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen:
Farbkontraste an Türrahmen oder in der Einrichtung erleichtern Kindern mit Seheinschränkung die Orientierung.
Filz unter Stuhlbeinen dämpft Hall und hilft Kindern mit sensorischer Überempfindlichkeit und auch allen andern Kindern und Pädagogen.
Akustik-Paneele an der Decke und den Wänden senken den Geräuschpegel – das freut Kinder wie Pädagogen.
Rückzugsorte in der Kita schaffen Sicherheit. Sie helfen zurückhaltenden und hochsensiblen Kindern, sich zurückzuziehen und zur Ruhe zu kommen oder bei zu viel Trubel, alles aus „sicherer Entfernung“ zu betrachten und für sich einzuordnen, ohne dabei isoliert zu sein.
In unserem Shop finden Sie viele passende Artikel zu diesem Thema: Rufen oder schreiben Sie uns an, wir beraten Sie gerne.
Teamkompetenz: Multiprofessionell statt Einzelkämpfer
Eine echte inklusive Kita denkt multiprofessionell:Erzieherinnen und Erzieher als pädagogische Allrounder.
Sonderpädagogen oder Heilpädagogen für Diagnostik und Förderplanung.
Sprachtherapeuten auf Abruf, oft über Frühförderstellen.
Hausmeister als Partner für schnelle bauliche Lösungen – von niedrigen Kleiderhaken bis zur rutschfesten Rampe.
Sekretariat als Kommunikationsdrehscheibe für Ärzte, Behörden und Eltern – gerade bei komplexen Förderabläufen sehr wichtig.
Dank des Programms „Fachkräfteoffensive Inklusion“ können Einrichtungen Fortbildungskontingente beantragen, die auch Quereinsteiger einbeziehen. Die häufigste Schulungsform ist das „Co-Teaching on the Job“: Eine Fachkraft für Inklusionspädagogik begleitet das Team im Alltag und gibt im Anschluss Feedback in der Gruppe, so dass dies auf Dauer umgesetzt werden kann.
Inklusive Praxis – lebendige Beispiele aus dem Gruppenalltag
5.1 Gemeinsamer MorgenkreisStart der Inklusion beginnt am Morgen. Ein großer Bodenkreis schafft Augenhöhe. Bildkarten mit Piktogrammen helfen Kindern mit Sprachbarrieren, das Tagesthema direkt zu verstehen. Eine induktive Hörschleife, per Bluetooth mit der Gruppenbox verbunden, überträgt Geschichten direkt auf das Hörgerät einzelner Kinder.
5.2 Sprachförderung
Statt isolierter Förderstunden lassen sich Vokabeln in kreative Prozesse integrieren. Während Kinder gemeinschaftlich eine Stadt aus Bausteinen bauen, sammeln sie Begriffe für Formen, Farben, Rollen wie z.B. „Architekt“, „Bauleiter“ etc.. Sprachpaten z.B. ältere Vorschüler können jüngere Kinder beim Benennen ihrer Bauschritte unterstützen.
5.3 Bewegungsraum für alle
Die klassische Turnhalle wird inklusiv, wenn sie basiert auf Stationen eingerichtet ist: Bodentrampolin mit absenkbarer Sprungfläche, Schaukelhängematte, Balancierparcours mit Handlauf. Es können auch Übungen durchgeführt werden, an der sich jedes Kind so beteiligt wird, dass dessen Stärke und nicht Defizit im Vordergrund steht. Das braucht Kreativität und Kinder dürfen in diesen Prozess gerne integriert werden.
5.4 Rückzugsorte
Nicht jedes Kind will immer mitten im Getümmel sein. Kleine „Oasen“ mit Therapieschaukel oder Zelt reduzieren Reizüberflutung. Wichtig: Die Kinder sollten Sichtkontakt zum Team halten, damit der Rückzugort nicht zur Isolation wird.
Elternarbeit – Inklusion endet nicht an der Tür
Eltern sind Experten ihrer Kinder. Doch gerade Familien, die wenig Deutsch sprechen und Behördenbriefe fürchten, brauchen eine Brücke in den Kita-Alltag. Das Sekretariat kann zweisprachige Infozettel bereitstellen, während Erzieher auf Bilder-Apps wie „SimSalaBim“ zurückgreifen, die wichtige Informationen für die Eltern in 15 Sprachen vertonen.Bewährt hat sich der „runde Tisch Inklusion“. Dies ist ein offenes Format einmal im Quartal, wo Leitung, Fachkräfte und Eltern Entwicklungsfortschritte besprechen. Es können Dolmetscher organisiert werden und bei baulichen Fragen kann auch das Hausmeister-Team dazu geholt werden.
Finanzierung & Organisation: Schritt für Schritt zum inklusiven Konzept
1. Bedarfsanalyse: Welche Kinder mit besonderen Bedürfnissen besuchen (oder werden künftig besuchen) die Kita?2. Zieldefinition: Welche Barrieren sollen zuerst abgebaut werden z.B. räumlich oder kommunikativ?
3. Finanzplan: Landeszuschüsse, Bundesprogramme, ggf. Stiftungsfonds kombinieren. Paritätischer, Aktion Mensch und lokale Rotary-Clubs fördern oft Anschaffungen bis 5 000 €.
4. Antrag & Zeitplan: Viele Landesämter vergeben Gelder nach Eingang. Schnell sein lohnt sich.
5. Umsetzung & Evaluation: Etappenziele setzen z. B. bis November die höhenverstellbare Wickelkommode, bis März dann die Fortbildung „Unterstützte Kommunikation“ etc.
Wer den Prozess schriftlich festhält und mit Bildern dokumentiert, erleichtert die spätere Berichtspflicht. Hier lohnt sich die Zusammenarbeit mit dem Sekretariat: Eine gut geführte Fotodatenbank spart Stunden beim Nachweis der Verwendung öffentlicher Mittel.
Ausblick: Was Teams 2026 beachten sollten
Die neuesten Entwürfe zur Kindertagesstätten-Qualitätsverordnung sehen vor, dass ab 2026 mindestens eine Inklusionsfachkraft pro 45 Kinder angestellt oder extern angebunden sein muss. Außerdem wird Barrierefreiheit stärker an CO₂-neutralen Umbau gekoppelt sein.
Digital wird die Kita-Welt ebenfalls inklusiver: Barrierefreie Eltern-Apps mit leichter Sprache sollen Standard werden, wenn Bundes-OZG-Richtlinien ab 2026 greifen.
Fazit & Einladung zum Mitgestalten
Inklusion ist kein Projekt mit einem Enddatum, sondern vielmehr ein Kompass für jeden Tag in der Kita, aber auch im Alltag. Mit jedem kindgerechten Möbelstück, jeder offenen Frage im Morgenkreis und jeder Fachkraft, die mutig neue Wege geht, wächst gelebte Inklusion im Alltag und der Kita. Die finanziellen und gesetzlichen Vorgaben stehen dafür in diesem Jahr (2025) günstig. Nutzen wir doch die Chance für Kinder, die sich gesehen fühlen, für Teams, die voneinander lernen und für ein Bildungssystem, das Vielfalt als Reichtum begreift. Damit legen wir den Grundstein für eine inklusive Gesellschafft, denn wir sind die Vorbilder der Kinder.Sie möchten Ihr Team auch auf diesen Weg bringen? Wir helfen bei der Ausstattung – von barrierearmen Möbeln und passenden Lehrmitteln bis hin zur inklusiven Raumgestaltung. Rufen Sie uns an, schreiben Sie uns eine Mail oder stöbern Sie direkt in unserem Online-Shop.
Helena H., 13.05.2025